I. Wie finde ich einen guten Musiklehrer? – Fünf Tipps mit zwei Zwischenspielen

Nachfolgende Tipps helfen bei der Suche nach einem guten Klavierlehrer. Selbstverständlich gelten die Empfehlungen auch für die Suche nach guten Geigen-, Gitarren-, Trompeten- und Schlagzeuglehrerinnen. Ersetzen Sie dazu im Folgenden einfach das Wort Klavier durch das Instrument, für das Sie sich interessieren.

 

1. Klären Sie Ihr „Wieso-weshalb-warum“.

Noch bevor Sie Kontakt mit einer Lehrerin aufnehmen oder das Unterrichtsangebot in Ihrer Wohnortnähe recherchieren, klären Sie sich selbst. Formulieren Sie für sich selbst, oder, wenn Sie einen Lehrer für Ihr Kind suchen, gemeinsam mit Ihrem Kind, worin genau der Antrieb besteht, das Klavierspielen erlernen zu wollen. Versuchen Sie, noch genauer zu werden als der häufig genannte Beweggrund „weil es Spaß macht“. Was fasziniert Sie beziehungsweise Ihr Kind am Klavierspielen? Was verbinden Sie damit? Welche Fantasien und Träume kommen Ihnen in den Sinn? Welche Musikrichtungen oder welche Stücke möchten Sie gerne spielen können? Möchten Sie mehr nach Noten spielen können oder lieber ohne, möchten Sie mehr bekannte Stücke spielen oder auch Ihnen unbekannte kennenlernen? Möchten Sie vorhandene Musik nachspielen oder lieber eigene erfinden? Was möchten Sie mit und von der Musik?

 

2. Überlegen Sie, was „Lernen“ für Sie bedeutet und welcher Lehrertyp zu Ihnen passt.

Bevor Sie mit dem Erlernen einer neuen Fähigkeit beginnen, ist es ratsam, sich darüber bewusst zu werden, welche bisherigen Unterrichtserfahrungen und welche allgemeinen Lernerfahrungen Sie mitbringen. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an „Unterricht“ denken? Welche berreichernden Unterrichtserfahrungen fallen Ihnen spontan ein? Wie gehen Sie üblicherweise vor, wenn Sie etwas Neues erlernen? Was sind Ihre Lernstrategien, was vermeiden Sie beim Lernen gerne? Was geschieht in Ihnen, wenn es schwierig wird? Wie gehen Sie mit Hürden und Durststrecken um – Phänomene, die auch beim Klavierspielenlernen früher oder später einmal auftreten werden? Und welche Vorstellungen, Vorannahmen und Fantasien haben Sie ganz grundsätzlich in Bezug auf das Klavierspielen und vor allem über dessen Erlernen? Was befürchten Sie alles tun müssen, bis Sie Klavierspielen können?

Mit Ihren Antworten auf diese und ähnliche Fragen können Sie herausfinden, zu welchem Lerntyp Sie gehören. Überlegen Sie von hier aus, welchen dazu passenden Lehrertyp Sie sich wünschen: auf welche Art sollte ein für Sie passender Lehrer den Unterricht gestalten? Über welche Eigenschaften und welche besonderen Fähigkeiten sollte Ihr Lehrer verfügen? In welcher Art von Unterricht können Sie Ihre Stärken am Besten einsetzen?

 

3. Recherchieren Sie konkrete Unterrichtsangebote.

Es gibt verschiedene Arten von Unterrichtsangeboten, die jeweils ihre besonderen Vor- und Nachteile haben.

  • Lernvideos und Onlinetutorials. Diese sind im Internet in der Regel weltweit und kostenfrei zugänglich und zeigen oft in stark vereinfachender Weise, welche Finger man auf der Tastatur wohin setzen muss, damit ein bestimmtes Musikstück zustande kommt.
  • Interaktiver Onlineunterricht. Hier findet ein Lehrer-Schüler-Unterricht am Bildschirm statt. Ein deutlicher Vorteil gegenüber Lernvideos ist, dass der Lehrer individuell Fragen beantworten und Rückmeldungen zu dem Spiel des Schülers geben kann, soweit dieses über den Bildschirm und den Lautsprecher wahrnehmbar ist. Umgekehrt kann der Schüler per Kamera und per Mikrofon wahrnehmen, wie der Lehrer etwas vorspielt.
  • Persönlicher Präsenzunterricht, in der Regel im Unterrichtsraum des Lehrers. Dieser Unterricht wird von privaten und öffentlichen Musikschulen wie auch von Privatmusiklehrern angeboten. Je nach Möglichkeiten des Anbieters kann diese Unterrichtsform auch mit dem interaktiven Onlineunterricht kombiniert werden, sodass sich Präsenz- und Onlineunterrichtsstunden ergänzen, das sogenannte blended learning. Der Präsenzunterricht ist aus Schülersicht die aufwändigste Unterrichtsform und in Bezug auf die Gebühren auch die teuerste. Der wesentliche Vorteil gegenüber den zuvor genannten Unterrichtsformen ist die persönliche Begegnung von Schüler und Lehrer. Beide können das Musikmachen des anderen leibhaftig, mit dem ganzen Körper wahrnehmen. Diese Wahrnehmung ist deutlich intensiver und vielschichtiger, deshalb sind auch feinere Rückmeldungen und konkretere Anregungen seitens des Lehrers an den Schüler möglich. Das Künstlerische, der absichtsvolle pianistische Gestaltungswille, der den Kern des Klavierspielenkönnens ausmacht, kann nur im Hier und Jetzt der Anwesenden zum Thema gemacht, gut vermittelt und gelernt werden. Das jahrhundertalte direkte Vom-Meister-Abschauen und das vertrauensvolle persönliche (Fach)Gespräch sind in keiner Weise ersetzbar – und das finde ich gut so. Der Lernfortschritt ist in der Regel im Präsenzunterricht am Größten. Dies gilt besonders für den Unterricht mit Anfängern, da gerade in den ersten Wochen und Monaten des Unterrichtes entscheidende Weichenstellungen für den gesamten weiteren Lernweg vorgenommen werden.

Überlegen Sie, welche Merkmale der verschiedenen Unterrichtsformen Sie für sich als Vorteile, welche als Nachteile ansehen. Und überlegen Sie, wie Ihre Erkenntnisse aus Tipp 1 und 2 zu den Unterrichtsformen passen und daraus resultierend, welche Art des Unterrichtes Sie favorisieren.

 

Zwischenspiel 1: Wie Musiklehrer ihre Expertise darstellen und was Qualität für den Musikuntericht bedeuten sollte

Privatmusiklehrer wie auch Musikschulen sind darauf bedacht, in der Öffentlichkeit darzustellen, worauf sich die Güte ihrer Arbeit gründet. Hierzu finden sich auf Internetseiten und in Flyern verschiedene Arten von Angaben:

  • Es werden Werte genannt, die dem Anbieter wichtig sind und die für den Unterricht eine große Rolle spielen (sollen), so beispielsweise Spaß, Wertschätzung, Kreativität, Zugewandtheit, musikalische Bildung oder (schneller) Erfolg. Zum Teil werden auch Unterrichtssituationen geschildert, die repräsentativ die besondere praktische Vorgehensweise im Unterricht veranschaulichen sollen. Gelegentlich wird das Besondere des eigenen Konzeptes auch abgegrenzt von anderen „ungünstigen“ Konzepten („… statt mühsamem und langwierigen Üben mit einem Klavierbuch“).
  • In dem Untermenü zur Person („Über mich“) werden in der Regel Informationen zur Ausbildung des Lehrers mitgeteilt, dies häufig in der dritten Person: „hat studiert bei Professor Wolkenov am Konseratorium in Paris“. Es werden Angaben zu künstlerischen Erfolgen gemacht: „europaweite Konzerttätigkeiten und mittlerweile 15 CD-Produktionen“. Und es wird auf Output-Erfolge hingewiesen: „regelmäßig erste Plätze meiner Schüler beim Wettbewerb „Jugend Musiziert“.
  • Viele Privatmusiklehrer und auch Musikschulen erwähnen ihre Mitgliedschaft in überregionalen Fach- oder Berufsverbänden und Interessenvereinigungen.
  • Häufig werden auch Referenzen und Testimonials von (ehemaligen) SchülerInnen aufgeführt: „… schätze an meiner Lehrerin ihre Geduld, ihr Fingerspitzengefühl und ihren Humor“.

Alle diese Angaben vermitteln einen Eindruck von der besonderen Art des Lehrers oder des Musikschulkollegiums, dem künstlerischen und pädagogischen Horizont, den Arbeitsschwerpunkten und der fachlichen Reichweite. Allerdings gehört es zur Natur von Selbstdarstellungen, dass sie die eigene Person in einem guten Licht erscheinen lassen sollen und dementsprechend nach einer bestimmten Logik funktionieren.

  • Vielfach soll die Aufzählung besonderer künstlerischer Aktivitäten und Erfolge oder die Mitgliedschaft in einem Fachverband suggerieren, dass damit auch besondere musikpädagogische Fähigkeiten einhergehen. Allerdings kann man von künstlerischer Qualität (ein Begriff, der zunächst genauer definiert werden müsste) nicht automatisch eine musikpädagogische (hohe) Qualität ableiten. Für einen guten Unterricht, vor allem für den Anfängerunterricht, sollte der Lehrer über außerordentliche kommunikative Fähigkeiten und über eine große Bandbreite an pädagogisch-didaktisch-methodischem Wissen und Können verfügen. Und er sollte dieses Wissen und Können so anwenden und auf den einzelnen Schüler abstimmen können, dass dieser einen zu ihm passenden, abwechslungsreichen, angenehmen und zielgerichteten Unterricht erleben kann.
  • Daraus folgt: Qualität lässt sich nicht von außen darstellen, sondern nur von innen erleben. Entscheidend ist nicht, was sein soll, sondern wie es für Sie ist (und natürlich auch, wie es für den Lehrer ist). Daraus folgt weiterhin: Notwendig ist zum einen die Reflexion des eigenen Erlebens, das Klarwerden darüber, wie ich den Unterricht, wie ich mich und den anderen erlebe. Und zum anderen ist der (gelegentliche) gemeinsame Austausch von Lehrer und Schüler über das Erlebte wichtig. Mit dieser Art von gegenseitigem Feedback können Schüler und Lehrer ihre Zusammenarbeit gestalten und für eine möglichst hohe Qualität sorgen.
  • Auch musikpädagogisches Können und Wissen ist nicht statisch und „steht nicht fest“. Welche Angaben macht der Anbieter dazu, wie er für seine eigene musikpädagogische Weiterentwicklung sorgt? Welche Art von Feedback holt der Lehrer beispielsweise von Fachkollegen zu seinem Unterrichten ein, um sich pädagogische Anregungen zu holen und um sein fachliches Selbstbild mit dem Fremdbild eines Fachkollegen abzugleichen? Welche Art von Fortbildungen besucht er?

 

4. Vereinbaren Sie eine unverbindliche Schnupperstunde.

Wenn Sie ein Unterrichtsangebot gefunden haben, das in möglichst vielen Punkten Ihren Vorstellungen und Wünschen entspricht, nehmen Sie Kontakt auf und vereinbaren Sie eine unverbindliche Schnupperstunde. So können Sie die Lehrerin und ihren Unterrichtsraum kennenlernen. Fragen Sie, ob sie beide in der Schnupperstunde gemeinsam etwas Musikalisches am Instrument ausprobieren können. So gewinnen Sie einen ersten Eindruck, wie die Lehrerin Sie anleitet und was ihr wichtig ist. Nutzen Sie die Schnupperstunde, um von sich zu erzählen (siehe Tipp 1 und 2) und um der Lehrerin viele Fragen zu stellen. Fragen Sie nach dem Unterrichtskonzept der Lehrerin, wie sie in der Regel vorgeht, welche Schwerpunkte sie setzt, welche Inhalte sie bevorzugt und welche Themen sie aus welchen Gründen nicht behandelt. Weitere Fragen können sein:

Stellt die Lehrerin Noten und Arbeitsmaterialien zur Verfügung oder müssen Sie diese selbst anschaffen? Wenn Sie noch kein Instrument besitzen, welchen Instrumententyp empfiehlt die Lehrerin und warum? Hilft sie bei der Anschaffung? Und ganz wichtig: fragen Sie nach den Vertragsbedingungen. Hier gibt es viele Variablen und es sollte geklärt werden, welche Vorgaben der Anbieter hierzu macht oder wie flexibel er in der Handhabung einzelner Punkte ist. Zu den Variablen gehören die Dauer der Unterrichtsstunde in Minuten, die Frequenz des Unterrichtes, die Flexibilität in der Terminvereinbarung, die Höhe des Honorars, die Zahlungsweise, Kündigungsmöglichkeiten und -fristen, Möglichkeit der Gebührenermäßigung, Ausfall aufgrund von Krankheit, Ferienzeiten, Datenschutz und Schutz der Persönlichkeitsrechte u. w. m.

Ein detailierter schriftlicher Vertrag macht deutlich, dass beide Parteien der Zusammenarbeit Ernsthaftigkeit, Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit zumessen. Nach meiner Beobachtung sind sich manche Interessenten dieser Verbindlichkeit nicht immer bewusst und betrachten Musikunterricht eher als lose und offene, tagesmotivationsabhängige Veranstaltung, vergleichbar dem wöchentlichen Kinobesuch, den man meist unternimmt oder, bei besserer Alternative, auch schon mal ausfallen lässt. (Dies gilt ebenso und verstärkt für das Üben zuhause. Siehe hierzu weiter unten den Text: Worauf lasse ich mich ein, wenn ich beginne, ein Instrument zu erlernen?) Bei der Unterzeichnung eines Unterrichtsvertrages sollte man sich über den Kern der Zusammenarbeit bewusst sein, dass nämlich die Lehrerin die Verantwortung für die musikalische (Aus)Bildung des Schülers am Instrument übernimmt und der Lernende im Gegenzug eine Gebühr zahlt, die letztlich (im Privatunterricht) der Lehrerin eine monetäre Grundlage bietet, um den Unterricht in der ihr bestmöglichen Weise zu erteilen.

Empfehlenswert ist es, aus dem recherchierten Angebot zwei bis drei Lehrer (oder auch mehr) auszuwählen und jeweils eine unverbindliche Schnupperstunde zu vereinbaren. So bekommen Sie einen Eindruck davon, wie unterschiedlich Klavierunterricht sein kann.

 

Zwischenspiel 2: Was guter Unterricht kosten darf und kosten sollte.

Der Beruf des Musiklehrers, genauer: des Instrumentalpädagogen, ist gesetzlich nicht geschützt. Jeder darf Klavierunterricht anbieten und dafür eine beliebige Gebühr verlangen. Die Spanne reicht nach meinem Überblick aktuell von 20,- Euro für vier Unterrichtsstunden á 45 Minuten im Monat (!) bis zu 160,- Euro für eine (!) Unterrichtsstunde á 60 Minuten. In Musikschulen der öffentlichen Hand werden die Teilnahmegebühren mit Steuergeldern subventioniert und je nach kommunalem politischen Willen gestaltet.

Und ja, die Kunden finden in der Regel die geforderten Gebühren sehr bis zu hoch und selbstverständlich argumentieren die Musikpädagogen, dass wir als Gesellschaft deutlich mehr in kulturelle Bildung investieren müssen, wenn wir überleben wollen. Letztlich sind es also politische Fragen, auf die wir bisher leider keine für alle Beteiligten annehmbare Antworten gefunden haben. Und vielleicht lassen sich solche Antworten mit dem Denken, das (derzeit noch) in Politik, Wirtschaft und Verwaltung vorherrschend ist, auch gar nicht tragfähig beantworten. Vielleicht braucht es ganz grundsätzlich ein neues Einvernehmen darüber, wie wir als Gesellschaft den Zusammenhang zwischen Arbeit und Einkommen, zwischen Dienstleistung und (Über)Lebenkönnen gestalten wollen. Bis es soweit ist, bleiben Ihnen momentan nur Ihre Einschätzung der Lehrerqualität und Ihre gefühls(!)basierte Entscheidung, welche Lehrerin Sie sich leisten wollen.

 

5. Wählen Sie einen Lehrer, der Ihnen guttut.

Nachdem Sie hoffentlich mehrere Schnupperstunden erlebt und Lehrer kennengelernt haben, überlegen Sie: bei welchem Lehrer stimmt die Chemie, bei wem haben Sie ein gutes Gefühl? Bei wem haben Sie den Eindruck, dass Sie auf eine zu Ihnen passende Art gefördert und auch gefordert würden? Und dies nicht nur in der Bedienung des Instrumentes, sondern auch im Verständnis dessen, woraus Musik besteht und worum es beim Musizieren auf tieferer Ebene eigentlich geht. Und natürlich in der Frage der Kosten. Gehen Sie in sich und fragen sich: will ich mir den Untericht bei diesem Lehrer leisten, erlauben, gönnen? Kann ich die Gebühren als eine Investion in mich, in meine persönliche Weiterentwicklung sehen? Und wenn ja, wie kann ich die Gebühren finanzieren? Wenn Sie sich entschieden haben, vereinbaren Sie mit dem Lehrer eine Probezeit und nutzen Sie diese konstruktiv. Folgen Sie in den ersten Wochen des Unterrichtes den Anregungen und Tipps des Experten. Machen Sie, was er rät, allerdings nicht ohne hierzu – bei Bedarf – auch Fachfragen zu stellen und um Erläuterung der Hintergründe zu bitten. Erfragen Sie konkrete Rückmeldungen zu Ihrem Musizieren, zu Ihren Gedanken und im Laufe der Wochen zu Ihrer Entwicklung. Und ganz wichtig: seien sie selber offen und geben dem Lehrer immer wieder Rückmeldungen, beispielsweise zu Ihren Erfahrungen beim Üben, zur Vorgehensweise des Lehrers u. w. m. Nur wenn Sie möglichst konkret von Ihren Wahrnehmungen, Gedanken, Erfahrungen und vielleicht auch Zweifeln und Motivationstiefs berichten, kann der Lehrer Ihnen bestmöglich weiterhelfen. Und er tut dies gerne, deshalb hat er diesen Beruf gewählt.

Ich wünsche Ihnen beim Einstieg in das Musizieren bereichernde Erlebnisse und viel Freude!

 

 

 

Demnächst:

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